kri­ti­ken

2020-2020
Natur in Harmonie
Vor gut 200 Jahren musste noch niemand von Überbevölkerung, Luftverschmutzung, Rodung des Regenwalds, Dezimierung der Artenvielfalt oder gar einer Klimakatastrophe sprechen. Da besaß Joseph Haydns Oratorium "Die Schöpfung", uraufgeführt 1798, nicht die Brisanz wie heute... ...Der Charme von Haydns Vertonung liegt in der Schönheit und Lauterkeit seiner Melodik und einer wunderbar klaren Harmonik, die dank klassischer Instrumentierung selbst wie Natur wirkt. Jeder der zahlreichen Chöre besitzt, meist im Dialog mit den Solisten, eine Frische, die beim Zuhören Glückshormone ausschütten kann. Dabei bietet der Beginn, "die Vorstellung des Chaos", erst einmal so viele verschränkte Dissonanzen auf, wie Ende des 18. Jahrhunderts gerade noch schicklich waren. Wie gewaltig strahlt wenig später gerade deshalb das gleißende C-Dur von "Es ward Licht". Mit dem Orpheus-Chor, Susanne Bernhard, Bernd Oliver Fröhlich und Matthias Winckhler sowie dem Originalklang-Ensemble La Banda fand unter Gerd Guglhör im Herkulessaal eine Aufführung statt, die Haydns Musik ebenso federnd wie gut durchlüftet präsentierte, weil instrumental wie vokal stets "sprechend" artikuliert wurde...
Süddeutsche Zeitung (Klaus Kalchschmid), Januar 2020