1. Mai
Erlöserkirche, Ungererstr. 13, München, 20:00
Claudio Monteverdi (1567-1643)
Marienvesper, SV 206
Sopran: Gerlinde Sämann, Veronika Mair
Tenor: Maximilian Vogler, Rodrigo Carreto
Bass: Manuel Winckhler, Sebastian Myrus
Barockorchester: La Banda
orpheus chor münchen e.V.
Leitung: Gerd Guglhör
Den Wonnemonat Mai, den Marienmonat, eröffnet der orpheus chor münchen mit Claudio Monteverdis prächtig instrumentierter und dramatischer „Marienvesper“. Mit seiner außergewöhnlichen Schöpfung, die in der gesamten Kirchenmusik kein Gegenstück hat, leitete der Komponist einen revolutionären musikalischen Stilwechsel von der Renaissance zum Barock ein. Während Monteverdis frühe Kompositionen ganz in der Tradition der niederländischen Vokalpolyphonie und der italienischen Villanellen-Technik stehen, wurden in der „Vespro della Beata Vergine“ erstmals in einem zusammenhängenden Werk der Musikgeschichte die Gestaltungsmittel polyphoner Kirchenmusik der Renaissance und der virtuos-solistische Einsatz der menschlichen Stimme einander gegenübergestellt und zugleich zu einer Synthese vereint. Die „Marienvesper“ ist der gelungene Versuch, die Tradition der Cantus-firmus-Technik mit einem neuen dramatischen Stil zu verbinden. Der gregorianische Choral als Cantus firmus durchzieht das Werk als „roter Faden“, während opernhaft konzertierende Solisten-Arien, vielstimmige Chorpassagen und instrumentale Zwischenmusiken eine musikalische Stringenz erzeugen. Unablässig wechselt das dramatische Konzept zwischen Steigerung und Zurücknahme, doch bleibt dank musikalisch feinsinnig umgesetzter Texte die Balance zwischen Religiosität und theatralischer Dramatik stets gewahrt.
Mit einem festlichen Introitus, in welchem der Chor zu einer klangvollen instrumentalen Toccata nach der einstimmigen Schola-Intonation den traditionellen Eröffnungspsalm „Domine ad adjuvandum“ deklamiert, beginnt die „Vespro della Beata Vergine“. Dabei zitiert Monteverdi bemerkenswerterweise quasi die ‚Titelmusik‘ für den Fürstenhof Gonzaga aus seiner Oper „L’Orpheo“, die bei allen großen Festlichkeiten am Hof erklang. Die Eingangsmusik dieses weltlichen Werkes fügt sich gelungen und äußert wirkungsvoll in die sakrale Marienversper ein. Das Werk besteht aus fünf Psalmen, dem Hymnus „Ave maris stella“ sowie zwei (alternativ verwendbaren) Magnifikats. Anstelle der Antiphone, die in einem Gottesdienst zwischen den Psalmen zu singen wären, stehen zwischen vier solistische „Concerti“. Ob Monteverdi eine Aufführung im Rahmen eines Gottesdienstes überhaupt beabsichtigte oder – wie der Titel „Vespro della Beata Vergine da concerto“ im Stimmheft des Basses nahelegt – an eine konzertante Aufführung dachte, ist unklar. Unbekannt ist auch, ob das Werk zu Lebzeiten des Komponisten überhaupt aufgeführt wurde.