kri­ti­ken

2008-2008
Die Musik malt Wasserbilder in der Allerheiligen-Hofkirche - Optische und klangliche Höhepunkte
Erst sieht es aus wie ein kreisrunder, stiller Teich, in dessen Mitte sich der Vollmond spiegelt. Von ihm aus treiben kleine Wellen nach aussen, als habe jemand einen Stein auf das Spiegelbild des Mondes geworfen. Es ist aber weder eine Galaxie, noch sind es Lebewesen, die da auf die Leinwand in der Apsis der Allerheiligen-Hofkirche projiziert wurden.
Es ist die Reaktion von Wasser in einer flachen Schale auf die Klangwellen der Musik von Leos Janacek, Sofia Gubaidulina, Eric Whitacre, Peteris Vasks, Wolfram Buchenberg und John Tavener, mit klarer und sicherer Wärme vorgetragen vom Casal Quartett, Julius Berger mit seiner Cello-Klasse und dem Orpheus Chor.
"Waternight" heißt das synästhetische Konzept. Optische und klangliche Höhepunkte schenkte Sofia Gubaidulinas emotionales Werk "Am Rande des Abgrunds" für sieben Celli und zwei Aquaphone.
Süddeutsche Zeitung, April 2008
Höher kann der Anspruch nicht sein - faszinierend
Sofia Gubaidulina als Musikerin auf dem Podium und - wie Anne-Sophie Mutter - im Publikum. Auf der Bühne der Allerheiligen-Hofkirche der Meistercellist Julius Berger mit seiner Cello-Klasse, das Casal-Quartett, der Orpheus Chor München unter Gerd Guglhör. Alle bringen Musik der Moderne im so glücklichen Kontrast mit dem "alten" Orlando di Lasso. Aber das ist es diesmal nicht allein. Der Klangforscher Alexander Lauterwasser setzt die Musik in Beziehung zum Element Wasser. Er bildet, auf eine Leinwand projiziert, die Schwingungen ab, die die Klangwellen auf einer Wasserfläche hervorrufen. Beim ersten Ton erscheint ein blauer Kreis, verändert unter Geige, unter Cello seine Gestalt. Es flimmert, flackert, scheint auch mal aufzuspritzen, die Farbe von Blau in Gold zu wechseln. Es ist ein unaufhörlicher synästhetischer Prozess: "Waternight" (wie ein Stück von Whitacre heißt) - Wasser und Klang im Dialog, ein Konzert der Reihe "Musica sacra - sacra Lux". Das alles ist von der künstlerischen Leiterin Michaela Pods-Aue sehr genau überlegt, auch im Programm-Aufbau strikt durchdacht. Und wenn endlich Sofia Gubaidulinas Stück "Am Rande des Abgrunds" für sieben Celli und zwei Aquaphone dran ist, auch faszinierend. Die Komponistin selber spielt das glockenartige, wassergefüllte, saitenbespannte Instrument, schwingt es herum und erzeugt damit berückende Töne.
TZ, April 2008
In memoriam Walter Hornsteiner
(...)
Bei Anton Bruckners genialer Komposition denkt man an ein Wort des Franziskus von Assisi, er wäre durch die Musik zu Gott gekommen und Gott spräche durch die Musik zu ihm. Seine zweite Messe ist - zumindest was den Choranteil betrifft - seine wohl grösste. Sie ist äusserst diffizil und heikel, deswegen auffallend selten zu erleben.
Wie der Münchener Chor unter der sehr kompetenten, nur im "Kyrie" in seinem Dirigat etwas wenig locker wirkende Gerd Guglhör alle Aufgaben meisterte, war wahrlich alle Ehren wert. Da war nur gleich eingangs nach dem bemerkenswert langen a cappella-Abschnitt ein Anschluss an die Bläser intonationsmässig leicht verwackelt.
Die stellenweise äusserst kühne Harmonik mit reichster Chromatik bewältigte man bewundernswert. Sichere Einsätze auch an exponierten Stellen, ein tragfähiges piano an den Ausdruckshöhepunkten, sowie eine spannungsvolle, stimmige Interpretation insgesamt, waren weiter auf der Habenseite. Über Erwarten klar auch die fugierten Teile von strengster Polyphonie.
(...)
Hornsteiners "Hymnen" - hier traten Nicole Winter und Angelika Wissmüller (Tochter des Komponisten) an den Klavieren hinzu - verbinden christliches Gedankengut des Mittelalters mit einer stark an Orff und Stravinsky (Psalmensinfonie!) orientierten Musiksprache. Hervorzuheben die von Erfahrung zeugende vorzügliche Behandlung der Bläser in der Partitur.
In der Hymne III gab's nach der brucknerisch anmutenden Blechbläsereinleitung eine ungewollt lange Generalpause. Dann stellte sich heraus dass der (sehr obligate) erste Fagottist seine Noten vermisste. Zum Glück fanden sie sich. Auch für einen Rezensenten ein absolutes Novum!
Straubinger Tagblatt (Werner Haas), Juli 2008
Wegweisende Tonmalereien
Orpheus Chor und Neue Hofkapelle entdecken Abbé Vogler Ein Konzert in der Sendlinger Himmelfahrtskirche machte mit einem heute vergessenen, für die Musikgeschichte gleichwohl wichtigen Musiker bekannt, mit Abbé Vogler. (...) Dass sein Requiem so überzeugen konnte, lag auch an der mustergültigen Aufführung durch den Orpheus Chor München und die Neue Hofkapelle, die Gerd Guglhör zu vorwärtsdrängendem Musizieren antrieb. Der hervorragende Chor begeisterte durch Homogenität und Klangkultur. Mit Präzision und Leuchtkraft sang er das einleitende wie als Zugabe wiederholte "Te Deum" von Joseph Haydn. Makellos auch die Leistung der Solisten Roswitha Schmelzl (Sopran), Dominika Hirschler (Alt), Michael Mogl (Tenor) und Wolf Matthias Friedrich (Bass), die allerdings nur kleinere Aufgaben zu erfüllen hatte. Die Neue Hofkapelle München bewältigte die zahlreichen Bläsersoli ebenso bravourös wie die donnernden Tutti. Verdienter Beifall.
Süddeutsche Zeitung (Sebastian Werr), November 2008