kri­ti­ken

2009-2009
Spannender Vergleich
Orpheus Chor mit vier Versionen des "Stabat Mater" in Herz-Jesu
Vier Vertonungen des "Stabat Mater" aus drei Jahrhunderten standen auf dem Programm des Orpheus Chors in der Herz-Jesu-Kirche. Die ältesten stammen von Scarlatti, komponiert zwischen 1715 und 1719, eine von Franz Lachner (1856); Javier Bustos Version von 1998 eröffnete das Konzert, im zweiten Teil folgte die Fassung von Knut Nystedt aus den Jahren 1986/87. Dieses "Stabat Mater" war das in sich geschlossenste und kargste, trotz der Verknüpfung mit einem virtuosen Cellopart (Yves Savary). Scarlatti und Lachner dagegen sehen Vokalsoli und Chor vor. Der Romantiker erwies sich als klassizistisch gebändigter Ausdrucksmusiker. Bustos dagegen begann faszinierend archaisch, um allmählich im 20. Jahrhundert anzukommen.
Obwohl der Orpheus Chor unter Gerd Guglhör in jedem Werk - auch Harald Fellers kleinen Chorsätzen und dem abschliessenden "Svyati" von John Tavener - nahezu vollendet phrasierte und wunderbar homogen sang, überzeugte doch Scarlattis "Stabat Mater" am meisten: eine grandios vielschichtige Vertonung im Wechsel von komplexer, aber stets fliessender Polyphonie, grossartigen Klangschichtungen neben konzertanten Partien, kulminierend in einer geradezu magischen Vertonung des "Quando corpus morietur - wenn der Leib sterben wird".
Süddeutsche Zeitung (Klaus Kalchschmid), März 2009
Händel-Glück
Orpheus-Chor mit Psalmvertonungen im Herkulessaal
Georg Friedrich Händel war erst 22 Jahre alt, als er sich in "überschwenglicher Schaffenslust" (Dorothea Schröder) im Frühjahr 1707 in Rom Psalmvertonungen widmete. Darunter fanden sich ein "Nisi Dominus" und das berühmte "Dixit Dominus", die zum Aufregendsten gehören, was jemals an Geistlicher Musik komponiert wurde.
Der Orpheus-Chor und das Originalklang-Ensemble La Banda unter Leitung von Gerd Guglhör hatten ihr Programm im Herkulessaal ganz Händel gewidmet und konnten nach der Pause in diesen beiden Werken zeigen, was in ihnen steckt. Denn der junge Komponist schont weder Instrumentalisten noch Sänger, ja fordert von letztgenannten eine Stimmakrobatik, Musikalität und drastischen Ausdruck, dass einem schon beim Hören schwindelig wird. Aber auch einige der Solisten, allen voran der hell tiberierte, koloraturensichere und mit leuchtendem Kern in der Stimme singende Countertenor Franz Vitzthum und die sehr präsente Sopranistin Katja Stuber sowie der zarte Tenor von Julius Pfeifer trugen zum intensiven Eindruck dieser zweiten Konzerthälte bei.
Zu den vielen Höhepunkten des Abends zählen die dramatischen Momente, in denen Händel ganz auf Dissonantzen und Kontraste setzte, vom Orpheus-Chor in allen Stimmlagen sicher und lebendig artikuliert. Aber auch die leisen Momente, wie etwas die ALt-Arie aus dem "Nisi Dominus" oder das Mozart-nahe "Propterea exaltabit caput" mit zwei Sopranen im wunderbar schwebenden Duett, hiterließen einen nachhaltigen Eindruck, den das Strichorchester noch intensivierte.
Süddeutsche Zeitung (Klaus Kalchschmid), Juni 2009