Dreieinhalb Minuten dauert das „Cruzifixus“ von Antonio Lotti (1667-1740), aber in ihnen steckt eine ganze Passion mit ihrer Trauer, ihrem Trost, ihrer schmerzvollen Schönheit. Dieses intensiv und berührend gesungene Stück war in der Mitte eines Passionskonzerts des orpheus chors in der Markuskirche platziert, das mit Johann Sebastian Bachs doppelchörigem „Fürchte dich nicht“ begann und mit der Vertonung des Textes von Sven–David Sandström aus dem Jahr 2007 endete. Geräuschhaft gewispertem „Fürchte dich nicht“ standen da romantische, fast an „Parsifal“ gemahnende Passagen gegenüber.
Unmittelbar davor sang der großartige orpheus chor unter Gerd Guglhör drei Anthems von Henry Purcell, auch dies eine dichte, farbige und gestenreiche Musik, die unverkennbar nach Purcell klang, aber zugleich wunderbar zeitlos. Wie sich in „Hear my prayer, o Lord“ auf „Crying“ die Stimmen immer mehr verdichteten und steigerten, kam der Wirkung eines sich zusammenballenden Clusters in zeitgenössischer Musik nahe. Und wenn im Flehen um Vergebung der Sünden sich der Chor immer weiter hochschraubte, dann ließ das manche Lösung eines modernen Komponisten im Ringen um Ausdruck alt aussehen.
Javier Bustos „Stábat Máter“ etwa kümmerte sich wenig um die Facetten des Textes, sondern begnügte sich mit musikalischer Stützung; berührend war dennoch, wie das „Paradisi Gloria“ am Ende als harmonisch unaufgelöste Frage im Raum stehen blieb.
Mit dem „Fürchte dich nicht“ von Johann Christoph Bach (1642-1703) nach einem Text von Johann Rist war ein originelles Werk zu hören, dessen fast lautmalerische Anrufung Gottes durch ein unendlich vervielfältigtes „Du“ faszinierte und auch sonst ganz vom Sprachrhythmus her komponiert war. Nicht minder erstaunt ob der Modernität der Wortvertonung und ihrer farbigen Expressivität war man bei den Stücken des bereits 1586 geborenen Johann Hermann Schein.
Passionskonzert „Fürchte Dich nicht“ des orpheus chors in der Münchner Markuskirche